Wie können Männer in einer vaterlosen Gesellschaft neue Akzente setzen? Es ist leichter, als viele denken.
Vaterschaft geht über die Familie hinaus
Etwas ganz Wichtiges zu Beginn: Vaterschaft können wir auch für Menschen ausüben, die nicht unsere biologischen Kinder sind. Dies können beispielsweise unsere Mitarbeiter oder Kollegen in der Firma sein, Nachbarn oder Freunde. Unsere Worte haben viel Macht. Das Besondere ist: Wir können es lernen, Ermutiger zu werden, das Gute im anderen zu suchen, zu sehen und auszusprechen und so Wertschätzung weitergeben. Sie werden verblüfft sein über die Auswirkungen.
Kürzlich sprach ich als Männer-Coach auf zwei Veranstaltungen für Männer – einmal an einem Event für Besitzer von Golfanlagen und an einem Männertag auf Mallorca. Ich sprach vor den Männern über das Thema Vaterschaft und darüber, wie viel Gutes wir Väter unseren Söhnen und Töchtern für ihr Leben mitzugeben haben und in ihre Leben säen können. In den Augen der Männer konnte ich sehen, wie tief dieses Thema ihre Herzen bewegte. Ich veranschaulichte das etwa so:
Die große Chance der Väter
„Der amerikanische Buchautor John Eldredge schreibt, dass jeder Junge zwei Fragen im Herzen hat: 1. Bin ich der geliebte Sohn und 2. Habe ich es wirklich drauf? Es liegt in der Macht und in der Verantwortung des Vaters, diese Fragen des Sohnes zu beantworten. Tut er dies nicht, wird sein Sohn sein Leben lang mit den unbeantworteten Fragen leben und ständig um die Anerkennung des Vaters kämpfen müssen. Ich finde es erstaunlich, in wie vielen Spielfilmen genau dieses thematisiert wird. Genauso hat auch die Tochter zwei Fragen: 1. Bin ich liebenswert, so wie ich bin und 2. Wird jemand um und für mich kämpfen?
Für uns Väter ist es eine unglaubliche Chance, diese Fragen unserer Kinder zu beantworten. Auf einem meiner letzten Segeltörns sagte einer der Männer: „Mein Vater hat über meinem Leben ausgesprochen: Mein Sohn, egal, was Du anpackst, es wird Dir gelingen.“ Wow, wie geht dieser Mann durchs Leben?
Als Vater und auch als Männer-Coach liebe ich es, diese Chance zu nutzen und in meiner Familie, aber auch in meiner Arbeit, einen Raum der Vaterschaft zu schaffen, in dem Menschen sicher sein dürfen und Orientierung finden, wahrgenommen und ermutigt werden – ein Raum, in dem hervorgerufen und freigesetzt wird, dass sie beruhigt und sicher ihren Weg gehen können.
Das Herz des Kindes fördern und freisetzen
Von einer symbolischen Handlung will ich hier kurz berichten: Vor vielen Jahren habe ich meinen eigenen Vater um seinen väterlichen Segen gebeten. Ich lebte damals noch in der Schweiz und er kam mich besuchen, schenkte mir für diesen Anlass einen Ring mit Gravur und gab mir seinen Segen für mein Leben. Es ist unbeschreiblich, wie viel Gutes sich seitdem in unserer Vater-Sohn-Beziehung getan hat. Und es war ihm möglich, mir soviel Gutes zu geben, obwohl er selbst eine sehr schwierige Vaterbeziehung hatte, in der er viel Leid erlebt und gesehen hat.
Diesen Segen des Vaters habe ich meinen Söhnen, als sie 16 Jahre alt wurden, symbolisch weitergegeben: Ich habe für sie ein Schwert ausgewählt und in dieses ihren Namen eingravieren lassen Es war mir wichtig, sie mit 16 in der Welt der Männer willkommen zu heißen und ihnen zu versichern, dass ich sehr stolz auf sie bin und hinter ihnen stehe. Außerdem habe ich ihnen einen langen Brief geschrieben, in dem stand, wofür ich in ihrem Leben dankbar bin, was ich Gutes in ihnen sehe und was ich ihnen für ihr Leben wünsche. Als meine Tochter 16 wurde, erhielt sie von mir einen Ring mit Gravur und mit einer Krone darauf und ebenso einen langen Brief der Wertschätzung.
Meine Grenzen fordern mich heraus
Als Vater bin ich immer wieder auch an Grenzen gekommen, in denen ich manchmal – gerade bei Erziehungsfragen – nicht weiter wusste. In diesen Zeiten war es für mich immer sehr wichtig, dass ich mir das Herz für meine Kinder und die Hoffnung für sie nicht rauben ließ. Das kostete Kraft – aber mein Entschluss stand fest: „Ich sehe das Gute an dir, ich glaube an dich und ich stehe fest hinter dir. Mein Herz ist bedingungslos für dich“. Es tut so gut, wenn wir Väter das Kind einfach mal in den Arm nehmen und ohne Wort einfach nur drücken können. Manchmal braucht es eben nicht viele Worte.
Mein Vater hat lange an meinem beruflichen Werdegang gezweifelt und dann plötzlich, während einer Veranstaltung, klopfte er mir anerkennend und wertschätzend einfach aufs Bein. Ich wusste, das war das, was er ausdrücken konnte, ohne Worte, und es kam voll in meinem Herzen an.“
Die Wertschätzung des Vaters
Nachdem ich meine Ausführungen bei den oben erwähnten Veranstaltungen geschlossen hatte, kamen sehr bewegte, meist ältere Männer, auf mich zu. Ein Teilnehmer sagte: „Herr Schröder, Sie haben genau meine Lebensgeschichte erzählt. Mein Leben lang habe ich mich nach der Anerkennung meines Vaters gesehnt, mir ein Wort der Anerkennung oder Wertschätzung gewünscht. Was habe ich alles geleistet, um das von meinem Vater zu bekommen, aber es blieb aus. Dies hinterlässt eine tiefe Traurigkeit in mir.“
Ein anderer Mann sagte: „Mir ist heute klar geworden, dass ich meinem Sohn und meiner Tochter dringend mal wieder sagen möchte, wie viel sie mir bedeuten. Ich will das, was ich selbst nicht von meinem Vater bekommen habe, trotzdem oder gerade deswegen an meine Kinder weitergeben. Ich breche diese unguten Verbindungen zu meiner Vergangenheit und beginne heute damit, meine Kinder zu segnen und Gutes über ihnen auszusprechen.“
Die Saat wird aufgehen – so oder so. In einem sehr alten Buch steht: „Er wird kommen, die Herzen der Väter zu den Söhnen kehren und die Herzen der Söhne zu den Vätern, damit das Land nicht verflucht werde. Denn wo sich die Herzen der Väter gegen die Söhne erheben und umgekehrt, dort ist das Land verflucht.“
Deutschland war lang genug vaterlos.
Es ist höchste Zeit, dass wir Väter unsere Chance ergreifen und unseren Stand wieder einnehmen. Ich bin überzeugt: Die Auswirkungen werden in den kommenden Generationen sichtbar sein.